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Jugendringe sind zu fördern

Beschluss der 90. Vollversammlung 2017

Etwa 100 Delegierte aus den Jugendverbänden und Kreisjugendringen in Schleswig-Holstein sowie Gäste von Parteien und Verbänden waren der Einladung des Landesjugendrings zu seiner jährlichen Vollversammlung ins Haus des Sports in Kiel gefolgt und beschlossen „Jugendringe sind zu fördern“.

Eine angemessene Ausstattung und Unterstützung für eine nachhaltige und dauerhafte Arbeit der Jugendringe in Schleswig-Holstein sicherstellen

Jugendringe sind die demokratisch legitimierten Zusammenschlüsse, in denen Kinder und Jugendliche (über ihre Vereinszugehörigkeiten, Vertretungsgremien oder Interessengemeinschaften) organisiert und jugendpolitisch vertreten werden. Jugendringe sind für alle Belange, die Kinder und Jugendliche betreffen, zuständig. Sie vertreten die Kinder und Jugendlichen in Ort, Stadt, Kreis, Land und Bund. Damit vertreten sie den Teil der Gesellschaft, der zum großen Teil noch nicht wahlberechtigt ist.

Wer Kindern und Jugendlichen demokratische Mitwirkungserlebnisse geben will, muss die Handlungsmöglichkeiten der Jugendringe stärken. Dies gilt besonders unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen, zum Beispiel die stärker auftretende kommerziellen Konkurrenz zur Jugendarbeit, die aktuellen Herausforderungen durch Flucht und Migration, die Ausdehnung der Schulzeiten und dem demographischen Wandel.

Kerntätigkeiten von Jugendringen

Jugendringe verfolgen das Ziel, die Interessen von Kindern und Jugendlichen sowie ihrer angeschlossenen Mitgliedern gegenüber der Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung zu vertreten. Sie fördern das ehrenamtliche Engagement vor Ort auf vielfältige Art und Weise und sorgen so für förderliche Rahmenbedingungen eines freiwilligen Engagement und einer vielfältigen und attraktiven Angebotsstruktur in der Jugendarbeit.

Sie erfüllen damit eine wichtige Aufgabe, die der Gesetzgeber im SGB VIII, §11 und 12, formuliert hat: „Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen. [...] Durch Jugendverbände und ihre Zusammenschlüsse [=Jugendringe] werden Anliegen und Interessen junger Menschen zum Ausdruck gebracht und vertreten.“

Jugendringe sind kompetente Ansprechpartner, bündeln und selektieren wichtige Informationen, beraten und unterstützen die in der Kinder- und Jugendarbeit Tätigen. Ein selbstbestimmtes Handeln der Jugendgruppen wird ermöglicht. Gleichzeitig stehen sie Politik und Verwaltung konstruktiv zur Seite und können auf aktuelle Entwicklungen der Kinder- und Jugendarbeit hinweisen.

Durch ihre vielfältige Mitgliedsstruktur können sie vor Ort Austausch und Vernetzungen befördern und zu gemeinsamen Aktionen anregen. Durch ihr Knowhow qualifizieren sie ehrenamtliche Strukturen, die so den aktuellen Herausforderungen aktiv begegnen können. Gleichzeitig setzen sie Impulse für eine Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendarbeit.

Über die beschriebenen Kerntätigkeiten hinaus können Jugendringe Aufgaben wie z.B. die Vergabe von Fördermitteln oder die Organisation von Ferienpassangeboten von öffentlichen Trägern übernehmen.

Verantwortung der öffentlichen Träger

In Schleswig-Holstein bestehen starke regionale Unterschiede in der finanziellen Ausstattung der Jugendringe. Diese rühren zum großen Teil aus der Fehlannahme, dass bei finanziellem Druck, den die öffentlichen Träger verspüren, bei der außerschulischen Jugendarbeit als vermeintlich „freiwilliger“ Leistung gespart werden könne. Dies ist aber nicht der Fall. In seinem Rechtsgutachten zur Förderung der Jugendverbandsarbeit (Wiesner, Reinhart, Christian Bernzen und Melanie Kößler (2013): Jugendverbände sind zu fördern! Berlin.) stellt Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Wiesner, Ministerialrat a.D. im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, eindeutig fest, dass es sich bei der Förderung der Jugendarbeit um eine Pflichtaufgabe mit höchstem Verpflichtungsgrad handelt.

Zu der Gesamtverantwortung der öffentlichen Träger für die Erfüllung der  Aufgaben nach dem SGB VIII gehört dabei nicht nur ein Recht auf Förderung, sondern auch auf eine angemessene Höhe der Förderung. Jugendverbände und Jugendringe müssen so gefördert werden, dass ihre Arbeit nachhaltig und dauerhaft ermöglicht wird: „Unzulässig ist z.B. eine Förderrichtlinie, die eine so geringe Förderung [...] vorsieht, dass damit bereits die dauerhafte Existenz der Vielfalt von Jugendgruppen und Jugendverbänden von Vorneherein unmöglich gemacht wird und so Förderung nur symbolischen Charakter hat.“ (ebd., S. 13).

Dies bedeutet in der Konsequenz, dass Jugendringe ein Anrecht darauf haben, nicht nur für einzelne Maßnahmen oder die Arbeit gefördert zu werden, die sie vom Kreis übernommen haben (Ferienpass etc.), sondern auch für die Erfüllung ihrer Kerntätigkeiten (Interessenvertretung, Unterstützung der ehrenamtlichen Jugendverbandsstrukturen im Einzugsgebiet, Vernetzung fördern, selbstbestimmtes Handeln ermöglichen etc.).

In der Praxis zeigt sich, dass sich in den Landkreisen und kreisfreien Städten, die seit längerem Jugendarbeit als einen wichtigen Bildungsbereich begriffen und entsprechend ausgestattet haben, die finanziellen Investitionen nachweisbar positiv auswirken. 

Anforderungen an Ausstattung, Beteiligung und Zusammenarbeit

Um ihren gesellschaftlichen und jugendpolitischen Auftrag erfüllen zu können, müssen die Jugendringe personell und materiell angemessen ausgestattet sein und in ihrer Arbeit unterstützt werden. Dazu gehört:

  • Die Jugendringe werden aus öffentlichen Mitteln finanziert. Dies umfasst eine institutionelle Förderung für die Kerntätigkeiten des Jugendrings. Die Vergütung von Aufgaben, die Jugendringe vom Kreis im Rahmen z.B. von Leistungsvereinbarungen übernommen haben, ist von der Grundförderung unabhängig zu sehen. 
  • Fördersätze müssen Kostenentwicklungen berücksichtigen. Während die Kosten in der Jugendhilfe insgesamt in den letzten Jahren massiv gestiegen sind, bleibt bei vielen Jugendringen die Förderung gleich. Die Kostensteigerungen für Personal, Übernachtungs- und Reisekosten bei Freizeiten usw. führen dazu, dass Jugendringe ihre Angebote einschränken und Kindern und Jugendlichen höhere Teilnahmebeiträge abverlangen müssen. Dies führt zu einer sozialen Ungerechtigkeit, die gerade benachteiligten Jugendlichen Zugänge zur gesellschaftlichen Teilhabe verschließt.
  • Kreisjugendringe benötigen mindestens eine*n Bildungsreferent*in, eine Verwaltungskraft und eine*n Geschäftsführer*in. Ehrenamt benötigt Hauptamt, um eine Unterstützung der Ehrenamtlichen zu gewährleisten, z.B. bei der Erarbeitung fachlicher Inhalte und der Wahrnehmung von Terminen tagsüber, um als kontinuierliche Ansprechpartner*innen zur Verfügung zu stehen und bei der Bewältigung bürokratischer Erfordernisse zu helfen (Antragstellung, Abrechnung, Dokumentation usw.). Die Mitarbeiter*innen werden von den Jugendringen eingestellt und eigenständig ausgewählt.
  • Jugendringe müssen außerdem die Mittel zur Aufrechterhaltung der nötigen Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Dazu gehören z.B. Räumlichkeiten, IT und Telefon sowie Reisekosten.
  • Öffentliche Träger der Jugendarbeit und Jugendringe pflegen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. In § 74 Abs. 5 SGB VIII ist der Gleichheitsgrundsatz beider festgeschrieben und soll eine Schlechterstellung der freien gegenüber dem öffentlichen Träger verhindern. Jugendringe sind selbstverständlich zu informieren und einzubeziehen, wenn Sachverhalte behandelt werden, die Kinder und Jugendliche betreffen.
  • In der Zusammenarbeit des öffentlichen Trägers mit Jugendringen ist das Subsidiaritätsprinzip zu beachten. Wenn Aufgaben in geeigneter Weise von Jugendringen übernommen werden können und diese sie übernehmen wollen, muss die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen (vgl. auch SGB VIII, §4).
  • Jugendringe müssen gleichberechtigt Sitze und Stimmrecht in den Ausschüssen und Gremien der kommunalen Selbstverwaltung erhalten. Dazu gehören durch den gesetzlichen Auftrag Jugendhilfeausschüsse, darüber hinaus die örtlichen Gremien, die kinder- und jugendrelevante Themen behandeln.
  • Bei allen Fragestellung, Problemen und Entscheidungen, die Jugendliche betreffen, ist der Jugendring als Vertreter öffentlicher Belange einzubeziehen. Dies gilt auch für die in der Gemeindeordnung Schleswig-Holsteins in §47f vorgeschriebene kommunale Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in den sie betreffenden Belangen.

Beschluss 90. VV Jugendringe sind zu fördern

 

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